Lesung: Und weil sie nicht gestorben sind …
Die Mutter des Froschkönigs beklagte, dass sich einer ihrer Söhne in ein langhaariges Mädchen, eine Prinzessin, verliebt hatte und gab der Wasserschlange hierfür die Schuld, die vorhergesagt hatte, dass jener in Menschengestalt verwandelt werden sollte. Besagter Froschmutter ist auch in letzter Zeit ein junger Mann aufgefallen, der sich öfters in der Umgebung des Teiches aufhielt, der für die Frösche den Lebensmittelpunkt darstellte.
Das Rumpelstilzchen erklärt den Zuhörern, dass es der jungen Frau hätte helfen wollen, die in deren Kindheit ihre Mutter verloren hatte und von deren Vater, dem Müller, aus Geldgier an den König „verkauft“ worden sei. Sie könnte Stroh zu Gold verspinnen – so lautete die Anpreisung des Müllers gegenüber dem König. Der König war an dieser Kunst und an dem Menschen, der diese Kunst beherrschte, in hohem Maße interessiert. So verblieb das Mädchen beim König und sollte nun Stroh zu Gold spinnen, was es jedoch nicht vermochte. Das Rumpelstilzchen half unter der Bedingung, dass diese Hilfestellung geheim bleiben musste und diese Hilfsleistung kein weiteres Mal erbeten werden durfte. So spann das Rumpelstilzchen das gesamte in der Kammer befindliche Stroh zu Gold und verschwand; der König war höchst zufrieden und nahm das Mädchen zur Frau. Die junge Frau brachte wenig später ein Kind zur Welt. Der König verlangte neuerlich von der Müllerstochter, die zu diesem Zeitpunkt bereits seine Frau war, dass sie das Stroh, das in eine Kammer gefüllt wurde, zu Gold verspinnen möge. Rumpelstilzchen wurde nun von der verzweifelten jungen Königin in ihrer Not aufgesucht. Jenes bot der Königin an, mit ihrem Kind bei den Kobolden zu bleiben und die beiden wurden nicht mehr gesehen. Die Schauergeschichte mit der angedrohten Kindesabholung war letztlich reine Erfindung.
In der Geschichte vom Schneewittchen kamen gleich vier Personen zu Wort, und zwar zunächst die Stiefmutter, sodann der Jäger, dann einer der Zwerge und zuletzt der Prinz, der sie gerettet hatte.
Die Hexe im Märchen von Hänsel und Gretel, die das Geschwisterpaar in ihrem Jagdhaus aufgenommen und ausgestattet mit einer ansehnlichen Summe Geldes nach Hause entlassen hatte, konnte sich in ein anderes Land absetzen und vielen weiteren Kindern helfen. Die erfundene Darstellung mit der Hexenverbrennung machte deren Abtauchen möglich, zumal die Hexe als eine in Ungnade gefallene Angehörige der Adelsschicht Verfolgung hätte befürchten müssen.
Die Ziege, die die drei Brüder im Märchen vom Tischlein deck dich übel verleumdet hatte, rechtfertigte ihr Verhalten damit, dass es ihr Spaß bereitet hatte, die drei Brüder zu ärgern. Diese könnten im Übrigen der Ziege durchaus dankbar sein, zumal sie ja als Folge für die Verleumdung von deren Vater vom Hof verjagt worden seien und somit die Chance erhalten hatten, fortan ein eigenständiges Leben zu führen.
Als Zugabe las Frau Riedelsperger noch eine kurze Geschichte sowie ein Gedicht aus ihrem Büchlein stadt.land.dorf vor.
Text: Georg Werber, Bild: Waltraud Aigner